Narrenzunft Stegstrecker Pfullendorf

Das Narrenblatt

Vor 125 Jahren ist das erste Narrenblatt in Pfullendorf erschienen. Heute ist es jedes Jahr ein Gesamtkunstwerk.

Es ist Jahr für Jahr dasselbe: Jeder wartet gespannt darauf, was im „Narreblättle“ steht. Traditionell erscheint es am Samstag vor der Fasnet. Zunftmitglieder gehen in der Stadt und den Ortsteilen von Haus zu Haus, um die Narrenzeitung zu verkaufen. Die einen hoffen, dass sich ihr Missgeschick nicht herumgesprochen hat und nicht in der Zeitung auftaucht. Andere freuen sich diebisch, zu erfahren, was den Pfullendorfern so widerfahren ist. Schadenfreude, so sagt es zumindest das Sprichwort, soll schließlich die größte Freude sein.

Jubiläumsausgabe zu 100 Jahren Narrenblatt 1995

In der Zeitung geht es um die kleinen Missgeschicke des Alltags. Etwa um Pfullendorfer, die bei einem Wochenende am Gardasee auch mal in eine richtig schöne Therme gehen wollen – mit Sauna und Wellness. Die jedoch, als sie mit Badezeug bepackt brav den Schildern „Therme Romana“ folgen, nur an einem Haufen alter Steine landen – an einer alten Therme aus römischer Zeit.

Günter Kratzer ist seit vielen Jahren in der Narrenblatt-Redaktion aktiv. Er sagt, die meisten Geschichten schnappen die Narrenblatt-Redakteure, rund zehn Personen sind es derzeit, das Jahr über auf. Dann müsse man sich schnell eine Notiz machen, um es nicht zu vergessen. Ab dem 11.11. treffen sich die Redakteure des Narrenblatts alle zwei Wochen, um die Inhalte zu planen. Jeder trägt Geschichten vor. Die Redakteure entscheiden dann gemeinsam, was in die Zeitung kommt, wo die Namen der „Delinquenten“ genannt werden und wo man aus Rücksicht auf empfindlichere Zeitgenossen auf Namen verzichtet. Alles wird dann in Reimform verpackt. Rund 70 bis 80 Beiträge sind nötig, um das Narrenblatt mit seinen 18 Seiten zu füllen. Der Künstler Peter Kapitza, lange Jahre war er Kunstlehrer an der Pfullendorfer Realschule, zeichnet dann die passenden Karrikaturen dazu – seit mehr als 30 Jahren schon. Außerdem gestaltet er die Titelseite jeweils passend zum Fasnetsmotto. So wird das Narrenblatt zum Gesamtkunstwerk. Um Geld zu sparen, machen die Redakteure des Narrenblatts möglichst viel selbst, sogar das Legen und Falten der Zeitung. Lediglich Satz und Druck wird von „Profis“ erledigt.

So begann die Tradition: Das Titelblatt des Narrenblatts im Jahr 1895

Eine Narrenzeitung erscheint in Pfullendorf seit 125 Jahren. Ausgabe Nr. 1 gab es im Jahr 1895, damals unter dem Titel „Narrhalla“ – so hieß damals der Vorläuferverein der heutigen Narrenzunft. Das erste Narrenblatt war ausgewiesen als: „Amtliches Organ des Narrenvereins Narrhalla für Stadt und Bezirk Pfullendorf, sowie für alle Grenznarren und diejenigen, welche in Europa und anderen Welttheilen zerstreut, eine Freude an dem närrischen Treiben ihrer ehemaligen Heimat haben“. Während den beiden Weltkriegen erschien jahrelang kein Narrenblatt. 1950 ist der erste Jahrgang nach dem Krieg. Ab 1953 trug das Narrenblatt dann den Titel „Stegstrecker“, und diesen Namen trägt es heute noch. Jörg Heinzle