Narrenzunft Stegstrecker Pfullendorf

Seit 125 Jahren gibt es den Narrenbolizei in Pfullendorf. Wie nötig er ist, zeigen alte Berichte über Umtriebe an der Fasnacht in der Stadt.

Die Ordnungshüter der Fasnet bekommen beim Narrentreffen in Pfullendorf einen eigenen Empfang – es geht um die Narrenpolizisten, oder, wie es in Pfullendorf heißt: den Bolizei. Die Einzelfigur, die in der schwäbisch-alemannischen Fasnacht weit verbreitet ist, feiert in Pfullendorf an der Fasnacht 2020 ihr 125. Jubiläum. In den Aufzeichnungen der Zunft ist vermerkt, dass an der Fasnacht 1895 zum ersten Mal auch ein Polizist auftrat. Aus diesem Anlass soll es am Sonntag, 2. Februar, einen eigenen Empfang für die „Bolizeien“ geben. Der Bolizei oder auch Büttel, wie er etwa in Bad Cannstatt genannt wird, soll während der närrischen Tage für Ordnung sorgen. Und gleichzeitig wird mit der Figur auch die staatliche Ordnung auf den Arm genommen.

Narrenbolizei Walter Roßknecht beim Narrenbaumstellen am Marktplatz. Foto: Eugen Fischer

In Pfullendorf trägt Walter Roßknecht seit 25 Jahren das Häs des Narrenbolizei. Damit ist er vermutlich der dienstälteste Narrenbolizei der Zunft. Ein wichtiges Kriterium, als er für das Amt auserkoren wurde: sein Bart, den er hegt und pflegt. Walter Roßknecht erfüllt fast genau das Bild eines Polizisten, wie man es aus Kinderbüchern kennt: groß, kräftig und nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen. Die Ruhe braucht er auch, wenn er etwa vor Umzugsbeginn mit seiner großen Schelle dafür sorgen muss, dass sich alle rechtzeitig aufstellen. Auswärts führt er die Zunft an, bei der heimischen Fasnet läuft er stehts ganz vorne: sei es beim Narrenbaumstellen durch die Hexen, bei den Hemdglonkerumzügen oder beim großen Umzug am Fasnetmontag.

Er trägt eine Uniform nach Art des badischen Ortspolizisten aus der Zeit um 1850. In Pfullendorf wird man früher über die echten badischen Ortspolizisten übrigens nicht nur erfreut gewesen sein. Denn als die Stadt im Jahr 1803 dem Kurfürstentum Baden zugeschlagen wurde, verlor sie ihre herausgehobene Stellung als Reichsstadt. Und die Fasnet kam zu dieser Zeit auch erst mal zum Erliegen, ist überliefert.

Der Säbel war bei Walter Roßknechts Vorgängern nicht immer echt, sie hatten teils auch Holzsäbel. Walter Roßknecht dagegen trägt einen echten Säbel – und hat sogar eine offizielle amtliche Ausnahmegenehmigung, damit er ihn in der Öffentlichkeit überhaupt dabei haben darf. Der Narrenbolizei wird als Einzelfigur nur von Walter Roßknecht verkörpert. Es gibt keinen Ersatzmann. Fällt er aus, gibt es keinen Bolizei. Deshalb hat er in den vergangenen 25 Jahren auch nur wenige Fasnachtstage verpasst.

Geht auch alles mit rechten Dingen zu? Der „Bolizei“ schaut ganz genau hin. Foto: Eugen Fischer

Auf Zucht und Ordnung achtete man in Pfullendorf übrigens schon lange bevor es einen närrischen Bolizei gab. Immer wieder trieben es die Pfullendorfer an der Fasnacht offenbar so bunt, dass Kirche und städtischer Rat sich zum Eingreifen gezwungen sahen. In alten Protokollen etwa ist vermerkt, dass an der Fasnacht im Jahr 1751 drei junge Männer je zwei Mal für 24 Stunden eingesperrt wurden, weil sie ein Spottlied auf Mädchen gesungen hatten. Und im Januar 1614 schaffte der Rat auf dringenden Wunsch des damaligen Stadtpfarrers den Unfug der Jugend ab, sich am Aschermittwoch in den Brunnen zu werfen. Hätte es vor über 400 Jahren dieses Verbot nicht gegeben, wer weiß: Dann würden sich zum Narrentreffen 2020 in Pfullendorf nicht Narrenpolizisten und Schneller zur WM treffen, sondern vielleicht auch noch Brunnenspringer. Jörg Heinzle